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Gedankensplitter


Gedanken an Rebellion

Gedanken an Ungerechtigkeit

Es ist Krieg

Aber ich bin unsichtbar

Ich habe alles entfernt

was dem Feind nützlich sein könnte


Ich habe versucht zu schlafen

aber als ich nicht schlafen konnte

in einer Nacht wie dieser

habe ich begonnen zu schreiben


All die Zeilen die ich schreibe

Nicht um etwas mitzuteilen

sondern um unsterblich zu werden



6:00 Doppelter Espresso. Draußen ist Sommer. Ein Gefühl wie: „Damals gab es keine Zeit, so wie es in der Erinnerung keine Zeit gibt. Es war nur der Sommer, in dem wir unten am Fluss waren, Forellen fingen, und ich dachte, dass sich nie etwas ändern würde“ (Ferdinand von Schirach: Kaffee und Zigaretten. Luchterhand, 2019).

Kuss. Gib mit dem Fahrrad an der Kreuzung acht. Dann Kurznachrichten: Freunde, Familie, Politik. Schmutzige Wäsche in die Maschine stopfen.


7:00 Erste Notiz des Tages: „Wir werden durch Corona unsere gesamte Einstellung gegenüber dem Leben anpassen – im Sinne unserer Existenz als Lebewesen inmitten anderer Lebensformen“ (Slavoj Žižek, März 2020). Krise. Pandemie. Brachte unsere bis dahin gelebte Normalität gehörig durcheinander. Heute sprengt ein barbarischer Krieg die Grenzen unserer Fassungslosigkeit.


8:00 Im Feuilleton: die Frage nach der Normalität. „Damit verliert die bisherige Krisenpolitik ihren Fluchtpunkt: die Normalität. Anders ausgedrückt: Weil es nie wieder so sein wird, wie es war, wird die Politik damit aufhören müssen, das Gewohnte als ein Anrecht zu behandeln, einfach weil sie dieses Recht nicht mehr gewährleisten kann. Die Welt befindet sich in einem anderen Aggregatzustand, dem der Postnormalität oder der Krisenpermanenz“ (Bern Ulrich, ZEIT 24.03.22).


8:30 Einkaufen. Brot. Waschmittel. Obst. Gedankensplitter, die dazwischenfahren: Wenn wir also nie zu der bisher gekannten Normalität zukehren, befinden wir uns in einem historischen Moment, in dem die Zukunft ihre Richtung ändert. Bifurkation oder Tiefenkrise. Ein Wimpernschlag der Zeit, der äußere Realitäten und Strukturen auf den Kopf stellt. Die Krisen im Außen: Krieg, Pandemie, Klima, Artensterben. Nur die äußeren?


10:00 Espresso. Ein Löffel Zucker. Zweite Notiz des Tages: Žižek betont die innere Haltung, mit der wir uns in den äußeren Strukturen bewegen. Eine Überprüfung unserer Einstellungen erst als Voraussetzung, damit Entwicklung, Veränderung und Erneuerung gelingen können. Blick aus dem Fenster. Draußen ist Sommer. Drinnen auf dem Schreibtisch: Das fertige Manuskript zu meinem ersten Roman.

# Krise # Schreiben # Gesellschaft # Politik


Foto: Laura Gene Wall


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